„Xundheit!“ – „Ja, bitte!“

 

 

Schon wieder. Kollegin M hat sich erneut per Lehrer:innen-Chat krank gemeldet. Und ein „Sorry, Kollegen! LG“ dazu. Das bedeutet, dass heute Nachmittag wieder jemand in BE supplieren darf. Ich, natürlich. Hab‘ ich heute ja als einziger einen „freien“ Nachmittag. Den ich aber eigentlich nutzen wollte, um mit meiner Tochter endlich wieder einmal in den Tierpark und auf ein Eis zu gehen.

 

Einerseits ist der Frust im Kollegium verständlich, wenn sich der eine oder die andere in mehr oder regelmäßigen Abständen krankmeldet. Supplierstunden, von denen die ersten ohnehin als Dienstpflicht verankert sind, wir sie also bereits bezahlt bekommen, ob sie nun gehalten werden oder nicht.

 

Je nachdem, wie günstig oder ungünstig der Stundenplan dafür ausfällt.

 

Andererseits wird man selbst krank, ist man froh, wenn die Stunden gehalten werden. Aber… Wie war das beim letzten Mal? Mit knapp 39 Fieber noch schnell ein paar Mails an die werte Kollegenschaft schreiben, ein, zwei Telefonate, damit Max und Belma von der 4b ihre Tests zurückbekommen, weil sie letzte Woche nicht in der Schule waren. Kurze Anweisungen, welche Seite im Deutschbuch dringend zu bearbeiten wäre, damit das dann bei der Schularbeit sitzt.

 

Als KV ein Recht auf Krankenstand? Selbstverständlich, aber erreichbar muss man doch bleiben. Man hat für die Schülerinnen und Schüler und deren Eltern sowie für die Schulleitung da zu sein, wenn’s brennt. A propos „brennt“: Aus den paar Mails sind nun doch ein paar mehr geworden und die Augen brennen mittlerweile. Tabletten, Tee, Tinkturen und ab ins Bett, damit es schnell wieder bergab geht – das Fieber.

 

R. hat kein Fieber, ist aber trotzdem zuhause, weil sie sich eine Sehne äußerst schwer gezerrt hat. Rechter Arm. Sechs Wochen hat ihr Arzt gesagt. Mindestens. Die Physiotherapeutin spricht sogar von acht Wochen, eher R. wieder fit ist, um an der Tafel zu schreiben, wenn sie nicht sofort wieder Schmerzen haben möchte. R. liegt in ihrem Krankenstand auf der Terrasse, geht spazieren und trifft sich abends das eine oder andere Mal in geselliger Runde. Krank? Ja, aber, da kann man doch verlangen, dass sie sich wenigstens um die Unterrichtsvorbereitung kümmert. Und um die Tests und Schularbeiten. Weil, wie kommen denn die Kolleg:innen nun mit den Nochmehrmehrdienstleistungsstunden dazu.

 

S. war lang aktiver Fußballspieler. Ein böses Foul: Meniskus adieu. Mittlerweile ist auch das zweite Knie kaputt und massive Rückprobleme haben dadurch dazugesellt. S. war auf Anraten seiner Ärztin beim Bundessozialamt vorsprachig. Er darf nun auf den blau markierten Parkplätzen stehen – und damit sind nicht Kurzparkzonen gemeint. Durch die andauernden Schmerzen möchte S. seine Lehrverpflichtung reduzieren. Doch der von der BiDi beauftragte sachverständige Arzt ist der Meinung, dass die Schmerzen nicht so schwer wiegen könnten, um nicht trotz ihnen 21 Stunden in der Klasse zu stehen. Für S. ein beschwerlicher Weg mittels selbst bezahltem Gegengutachten doch eine Reduzierung zu erwirken. Für ein(!) Schuljahr.

 

Lehrerinnen und Lehrer verausgaben sich. Wir arbeiten, bis es tatsächlich nicht mehr weiter geht. Doch dann ist es oft zu spät und anstatt sich drei oder vier Tage zu gönnen, eine mittlere Erkältung sofort und wirkungsvoll zu bekämpfen, gehen wir in die Schulen und stecken das halbe Konferenzzimmer im Vorbeigehen an.

 

Lehrkräfte haben wie alle anderen Arbeitnehmer ein Recht auf den Krankenstand, der allein dazu dient, gesund zu werden. Nicht, um Schularbeiten vorzubereiten oder Diktate zu korrigieren. Nicht, um bei Konferenzen teilzunehmen. Und auch nicht, um Elterngespräche durchzuführen. Sowohl Schulleitung als auch Kolleg:innenschaft sollte so professionell agieren, diese Vertretungen durchzuführen. Zumindest so weit, bis die Grenze des Machbaren ohne Selbstaufgabe erreicht ist. Doch auch diese Grenze gilt es zu erkennen, dass trotz der Überstunden noch Erholungszeit bleibt, die diesen Namen verdient und die Vertretung nicht selbst der nächste Krankenstand ist.