SCHULE.MACHT.EINSER
Richtiger Weise muss es heißen: Schule verlangt lauter Einser.
Vor allem in städtischen Gegenden Österreichs ist der Wunsch der Eltern, ihre Kinder von der Volksschule in einem Gymnasium unterbringen zu können, derart stark, sodass diese die Schülerflut nicht mehr aufnehmen können.
Gerechterweise wurden Aufnahmsprüfungen schon vor vielen Jahren abgeschafft. Nun also müssen die Noten der letzten beiden Zeugnisse der Volksschule als Regulativ herhalten. Wie seit Jahrzehnten wissenschaftlich belegt, sind Noten das unzuverlässigste Maß, weil subjektiv und oft ungerecht.
Sehr gute Schüler:innen bringen sehr gute Leistungen. Gut betuchte Eltern leisten sich oft teure Nachhilfe für ihren Nachwuchs, was meist auch zu guten Noten führt. Manche Eltern versuchen das Ziel mit psychischem Druck oder Drohung mit Rechtsanwalt zu erreichen. Was dies mit der Volksschule und den „übriggebliebenen“ Kindern macht, brauche ich nicht zu erörtern.
Was aber sind gute Noten? In meiner eigenen Schulzeit war dies ein „Gut“ und darüber. In den meisten Gymnasien Vorarlbergs können Schüler:innen wegen Platzmangel nur noch mit lauter „Sehr gut“ aufgenommen werden.
Frei nach Cato bleibt nur noch zu sagen: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Gemeinsame Schule der 6- bis 15-Jährigen die einzige Chance für die Rettung des österreichischen Bildungswesens ist.
Bickel Franz war Volksschullehrer in Vorarlberg
Schule.Macht.Leistung
Kinder nach der Volksschule auszusortieren, können wir uns nicht leisten
Können wir uns das leisten? Können wir uns Bildung für ALLE leisten? Kinder mit 9 ½ Jahren für gymnasiale Bildungskarrieren auszuwählen, erfordert einen erheblichen Aufwand und ist entwicklungspsychologisch fragwürdig. Begabungen und Neigungen konsolidieren sich weitestgehend nach (den Turbulenzen) der Pubertät. Kinder vorher schon auszuschließen ist eine Verschwendung von Talenten. Und das sollten wir uns nicht leisten.
Wir können es uns nicht leisten, die Förderung und Integration von Schwächeren in den Schulen zu vernachlässigen. Es kann sich fatal auswirken, wenn wir fortfahren, einigen jungen Menschen wesentliche Perspektiven wegzunehmen. Jugendliche, die sich keine Chancen sehen, bringen uns in der Zukunft nicht weiter.
Wir können es uns nicht leisten, unseren Heranwachsenden eine demokratische, hochqualitative schulische Erfahrung vorzuenthalten. Die Schüler:innen von heute sind die Entscheidungsträger:innen von morgen. Gerade in schwierigen Zeiten setzen wir unsere Hoffnung auf Menschen, die eine hochwertige, nicht ausgrenzende demokratische Schule erlebt haben. Wir brauchen Erwachsene, die als Kinder an die Möglichkeiten der Partizipation herangeführt worden sind. Wir werden Menschen brauchen, die imstande und willens sind, sich an einer Gesellschaft der Zukunft zu beteiligen.
Renate Brunnbauer ist Lehrerin an einer Mittelschule in Oberösterreich
Schule.Macht.Frustration
Maria Montessori, Helen Parkhurst und viele andere wären frustriert ob dieser Schulpolitik.
Wer von Ihnen war im Gymnasium? Bitte aufzeigen! Wer in der Hauptschule oder der Mittelschule? A- oder B-Zug, 1., 2. oder 3. Leistungsgruppe, grundlegende oder vertiefende Allgemeinbildung, Standard oder Standard-AHS?
Trotz dieser Vielfalt gibt es nur einen Lehrplan für das Gymnasium und die Spielarten der Pflichtschule für die 10- bis 14-Jährigen. Welchen Sinn hat diese Trennung, außer dass jemand die eigenen Kinder nicht mit einem Muhammed oder einer Ayse in der Klasse sitzen haben möchte?
Als die Neue Mittelschule eingeführt worden ist, schien die Gemeinsame Schule bis zur achten Schulstufe in Sichtweite – zum ersten Mal durften Kolleg:innen aus höheren Schulen in einer NMS unterrichten. Umgekehrt ging es nicht, aber die Demarkationslinie zwischen Bundes- und Landesschulen war erstmalig verwischt.
Ist die Gemeinsame Schule eine neue Idee? Mitnichten!
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden viele reformpädagogische Strömungen, die bekannteste davon ist jene von Maria Montessori, sinnstiftendes Lernen für alle. Über 120 Jahre später bilden unsere Bildungsreformen einen anderen Geist ab: festzementieren des Gymnasiums, in dem kaum Integration oder Inklusion gelebt wird, und der Mittelschulen, die alle auffangen dürfen. Das machen die Kolleg:innen der MS mit Bravour. Schließlich hat der Großteil der Absolventen der HBLAs, HAKs, HTLs, … eine dieser Schulen besucht.
Novak Peter, Lehrer an einer Mittelschule in Freistadt