Das Kopftuchverbot für 10 – 14-Jährige: eine Nebelgranate aus dem Regierungsprogramm (Kreidekreis 2-20)
ein Kommentar von Regina Eder
In den 70er und 80er Jahren gehörte es für mich als Kind und Jugendliche dazu, Kopftuch tragende Frauen wie meine Oma zu sehen. Das Kopftuch war als Alltagskleidungsstück nicht wegzudenken und positiv besetzt.
Wenn aber eine muslimische Frau ein Kopftuch trägt, haben viele ein mulmiges Gefühl. Bei einem Kind mit Kopftuch keimt der Verdacht auf, dass dieses Mädchen in einem patriarchalischen Haushalt lebt und nicht die Freiheiten wie das durchschnittliche österreichische Kind besitzt.
Das Kopftuch - ein kleines Stück Stoff oder Zeichen der Unterdrückung?
Wenn wir uns sicher sein könnten, dass eine Kopftuch tragende Frau selbstbestimmt lebt, wären wir dann gegen das Kopftuch? Wäre es dann nichts anderes als das Goldkreuz um den Hals eines Christen? Würden wir ein österreichisches Kind, das ein Kreuz um den Hals trägt, mit üblen Taten der Christenmenschen in der Vergangenheit in Verbindung bringen, etwa mit der Verkündigung des Glaubens mit dem Schwert oder Hexenverbrennung? Wir tun es nicht.
Musliminnen tragen ein Kopftuch aus unterschiedlichen Gründen: aus Modebewusstsein, aus Gewohnheit oder Tradition, als Zeichen der Zugehörigkeit zum Islam, aber auch als Zeichen der Fremdbestimmung und der Unterdrückung.
Seit 1912 ist der Islam in Österreich als Glaubensgemeinschaft anerkannt und das Tragen eines Kopftuches ist erlaubt.
Eine Studie des Integrationsfonds ergab, dass die Akzeptanz für das Zusammenleben von Österreicher*innen und Zuwander*innen im letzten Jahr deutlich gesunken ist. Diese Tatsache könnte mit ein Grund sein, dass eine Partei, die den Bundeskanzler stellen möchte, ein Verbot ins Regierungsprogramm schreibt, das nichts kostet, aber auch nichts bringt. Denn so gut wie keine Auswirkungen hat das bereits umgesetzte Kopftuchverbot für 6 – 10-Jährige. Nur eine Handvoll Fälle kam zur Anzeige. Allerdings bedient es fremdenfeindliche Instinkte.
Kleidervorschriften für Lehrerinnen?
Frauen- und Integrationsministerin Susanne Raab ließ Mitte Jänner aufhorchen: Sie könne sich ein Kopftuchverbot auch für Lehrerinnen vorstellen. Dieselbe Meinung vertritt der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft, Paul Kimberger.
Wenn ich das höre, denke ich mit Grauen an die Zustände in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als Lehrerinnen das Tragen von Jeans von einigen Direktoren verboten wurde. Diese Zeiten sollten vorbei sein.
Gegen das Kopftuch, aber auch gegen das Kopftuchverbot: Beziehung statt Verbote!
Aber wie mit Schülerinnen umgehen, die mit Kopftuch in der Schule erscheinen? Tatsache ist: Auf das Kopftuch zu verzichten, erleichtert Musliminnen die Integration. Integrationswillige Familien, die an einer positiven Bildungskarriere ihres Kindes interessiert sind, lassen sich meist durch Gespräche davon überzeugen.
Dafür brauchen wir Pädagog*innen Zeit. Beziehung statt Verbote lautet die Devise. Was uns Lehrkräften dabei hilft, ist Unterstützung durch Supportpersonal: Sozialarbeiter*innen und Betreuungslehrer*innen.
Allerdings gibt es Fälle, in denen Väter auf stur schalten und nur durch ein Verbot ermöglicht werden würde, dass das Mädchen ohne Kopftuch in der Schule erscheint. Doch dann würde das Kind das Kopftuch wieder aufsetzen müssen, wenn es die Schultüre schließt, aber an den patriarchalischen Zuständen zuhause ändert sich nichts.
Faßmann ringt vermutlich um Argumente, denn das Bildungsministerium hat ein Gutachten zum Kopftuchverbot bei einer als konservativ bekannten Rechtsprofessorin in Auftrag gegeben: bezahlt mit unserem Steuergeld, aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.
Stellen wir uns vor, die Pläne der Regierung würden Gesetz werden, dann heißt es womöglich in Corona-Zeiten in einem Klassenzimmer:
„Fatima, nimm das Kopftuch ab und setz die Maske auf!“