Die Wichtigkeit einer parteiunabhängigen Personalvertretung

Wenn der ehemalige 2. Nationalratspräsident und gleichzeitig oberste Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer auf einer Kundgebung gegen geplante Regierungsvorhaben wetterte und sich anschließend im Parlament aus Parteiräson ganz anders verhielt, ist das nur ein krasses Beispiel für Unvereinbarkeit und negativen Einfluss von Parteidisziplin auf einen Sachverhalt. Endlose Beispiele dafür bewegen sich im Bereich der Interessenskollisionen. So sehr Parteien für eine funktionierende Demokratie im Parlament notwendig sind, es gibt da Bereiche, wo Parteiinteressen einer Sache wie der beruflichen Interessensvertretung entgegen stehen und ihr wesentlichen Schaden zufügen (können).

 

Jahrzehnte waren die meisten Organisationen in Österreich in schwarzer und roter Variante vorhanden: alpine Vereine, Autofahrerclubs, Sportvereine, Rettungsorganisationen, Seniorenvereine, Wohnbaugenossenschaften etc. Dass dies meist eine Bündelung der Kräfte verhinderte, ist offensichtlich. Das war eine Spätfolge der Konflikte zwischen „christlich-sozial“ und sozialdemokratisch in der Ersten Republik. Man konnte schon froh sein, dass die beiden nicht mehr aufeinander schossen. Die Aufteilung von Pfründen und Posten existiert zu großem Teil noch heute und hat starken Anteil an der Parteienverdrossenheit vieler StaatsbürgerInnen.

 

Davon profitierend, erstarkte ab 1986 unter Jörg Haider das „dritte Lager“, jahrzehntelang bei rund 5 %, bis hin zum Überholen der ÖVP auf Bundesebene im Jahr 1999, meist auf Kosten der Sozialdemokraten. Diese hatten sich als Schutzmacht der ArbeiterInnen so gut wie verabschiedet, und Haider konnte deren Unzufriedene in seinen Sack stecken. In den Regierungsbeteiligungen zeigten und zeigen die FPÖ-lerInnen allerdings ein beachtliches Verlangen bei den von ihnen sonst so geschmähten Postenschachereien, z.B. H.C. Straches gestrandetes Nationalbank-SMS. Den Lackmustest in Sachen Parteibuchwirtschaft lieferte der oberösterreichische FPÖ-Landesrat Elmar Podgorschek am 5. Dezember 2018 im parlamentarischen BVT-Untersuchungsausschuss ab , in dem er sich zum „demokratischen Recht der FPÖ auf Umfärben“ bekannte: "Wir haben unser demokratisches Recht wahrgenommen, dass wir aufgrund des Wahlergebnisses die Aufsichtsräte besetzen. Jede Partei macht das." Und weiter: "Man kann nur etwas umfärben, das eingefärbt wurde. Es ist legitim von einer politischen Bewegung, dass sie ihre Vertrauensleute in Positionen setzt." * - Nuda veritas Austriaca!

 

Als Folge von Zwentendorf und Hainburg gelang es im November 1986 der „Grünen Alternative“ ins Parlament zu kommen und per Selbstzerfleischung im Oktober 2017 wieder raus zu fliegen. Proponenten der Grünen schaffen es trotzdem manchmal, Bürgermeister einer Landeshauptstadt, Bundespräsident etc. zu werden, vorausgesetzt, ihre schwarz-roten KonkurrentInnen versenken sich zuvor selber oder gegenseitig. Die Kommunisten und die echt Liberalen haben in Österreich Exoten-Status, ebenso wie ein Gegenstück zur deutschen „Die Linke“.

 

Die Parteien schufen auch ihre Lehrervereine. Während der Sozialistische (heute: Sozialdemokratische) Lehrerverein Österreichs SLÖ und der Freiheitliche Lehrerverein FLV ihre Parteinähe nicht verleugnen, halten sich die ÖVP-FunktionärInnen der Katholischen Lehrerschaft Österreich meist auf namentliche Distanz zu ihrer Partei. In Oberösterreich und Wien nennen sie sich im Pflichtschulbereich z.B. Christlicher Lehrerverein CLV, im „Heiligen Land“: „Katholischer Tiroler Lehrerverein KTLV “, dessen Leute aber bundesweit wie die anderen ÖVP-lerInnen unter „Fraktion Christliche Gewerkschafter“ (FCG) zu Wahlen antreten. Der „Bund demokratischer Lehrer und Erzieher Österreich“ (BDL), 1945 gegründet und kommunistisch orientiert, war ähnlich chancenlos wie seine Partei. Während sich grün orientierte LehrerInnen am ehesten bei der hier später geschilderten Österreichischen LehrerInnen Initiative ÖLI-UG engagieren, hat sich nur in Oberösterreich ein eigener Lehrerverein der grünen Partei namens „Grüner PädagogInnen Verein“ (GPV) gegründet, der 2004, 2009 und 2014 in Wahlplattform mit der kuli-UG (offiziell 1988 gegründete OÖ-APS-Vertretung der ÖLI-UG) kandidierte.

 

Meistens wird in der Öffentlichkeit die ÖLI-UG für eine grüne Organisation gehalten, allen Bemühungen zum Trotz, dass sie tatsächlich überparteilich und inhaltsorientiert agiert. Den Beweis dafür lieferten 2004 die niederösterreichischen Grünen, als sie bei den Personalvertretungswahlen gegen die nö. APS-Vertretung der ÖLI-UG namens ULIG-UG kandidierten. Keine der beiden Listen kam in den Zentralausschuss, ohne die grüne Gegenkandidatur hätte es locker gereicht. Eine tragische Ironie besteht darin, dass bei den nächsten PV-Wahlen und auch später die Grünen nicht mehr antraten.

Die ÖLI-UG versuchte es 2009 wieder, scheiterte aber zunächst an der mangelnden Zahl von Unterstützungserklärungen (1% der LehrerInnen muss mit Name und Unterschrift – auch in Pröllanien - bekennen, dass sie eine Kandidatur der ÖLI-UG wollen), erreichte 2014 hingegen 729 Stimmen – zwar 146 Stimmen zu wenig für ein Mandat im ZA, die Stimmen schlugen sich aber bei der gewerkschaftlichen Umlegung zu Buche (4. Mandat in der APS-Bundesleitung).

 

Dem österreichischen Bildungswesen der 2. Republik hat das Parteiengerangel in erster Linie geschadet: Das schwarze Bildungsbürgertum hat bis heute eine gemeinsame Schule aller Schulpflichtigen verhindern können, nur im deutschsprachigen Raum Europas trennt sich die Bildungskarriere der Kinder schon mit dem 10. Lebensjahr. Die „Erotik“ der Segregation macht noch heute gymnasiale Unterstufen und Sonderschulen möglich. Auch ab der SPÖ-Alleinregierung Kreiskys 1970 bis 1983 waren diverse Schulversuche das Maximum des Möglichen, weil sich die Schulgesetze in der Geiselhaft des Verfassungsrangs befanden und somit eine Zweidrittelmehrheit für Änderungen nötig war. „Türkis-Blau“ ist nun voll auf retro, Ziffernnoten ab der zweiten Klasse Grundschule verhöhnen die Bemühungen engagierter PädagogInnen nach kindgerechter Beurteilung.

 

In Südtirol z.B. läuft der pädagogische Hase seit Jahrzehnten anders: Dort sind kleinere Klassen und Inklusion selbstverständlich, auch weil die Ressourcen stimmen.

 

Lehrkräfte, weil Staatsbedienstete, hatten lange keine Betriebsräte. Als dann Ende der 60-er Jahre eine entsprechende Interessensvertretung nicht mehr zu verhindern war, griffen die Parteien sofort nach dem Einfluss auf die neu geschaffene Personalvertretung. Was in Österreich normal bis logisch erscheint, muss es beileibe nicht sein: In Skandinavien z.B. sind parteiunabhängige InteressensvertreterInnen selbstverständlich, in Finnland werden sie sogar alle zwei Jahre neu gewählt. KandidatInnen wie der genannte Neugebauer mit seinen Parteirücksichten bräuchten dort kein zweites Mal zur Wahl antreten.

 

In Skandinavien haben die LehrerInnen eine parteiunabhängige Interessensvertretung, die diesen Namen auch wirklich verdient, weil das Primat der gewählten VertreterInnen darin besteht, vorrangig die Interessen ihrer Leute auch wirklich zu vertreten, ohne dauernd auf ihre Parteilinien schielen zu müssen, um bei den Granden ihrer Partei nicht in Ungnade zu fallen und sich andernorts die Karrierezukunft zu vermasseln.

 

Ein ehemaliger ZA-Vorsitzender brachte es einmal so auf den Punkt: „Am besten geht es den Lehrerinnen und Lehrern, wenn die Personalvertretung schwarz und der Minister rot ist.“ Dann legen sich die InteressensvertreterInnen (in der Regel schwarz) nämlich so tüchtig ins Zeug, wie sie es eigentlich immer tun sollten. Während der bleiernen elf Gehrer-Jahre litten sie an multilateraler Myasthenie (vielseitige Muskelschwäche), was der ultimative Beweis für die Schädlichkeit von zu starkem Parteieneinfluss auf die Berufsvertretung der PädagogInnen war (z.B. Null-Lohnrunden, unbezahlte Supplierungen etc.).

 

Eine einfache Frage: Worum geht es bei schulischer Interessensvertretung? Wer dabei an Einsatz für eine möglichst humane Schule und bestmögliche Vertretung der Berufsinteressen von LehrerInnen abseits von parteipolitischem Kalkül denkt, sitzt per se in einem Boot mit jenen, die seit 1979 mit wachsendem Erfolg genau diese beiden Hauptziele verfolgen. In diesem Jahr wurde nämlich die LehrerInnen-Initiative gegründet, deren VertreterInnen sich jenseits von diesem eingerosteten österreichischen Parteidenken um eine progressive Pädagogik und unbestechliche Personalvertretung bemühen. In der ÖLI-UG gilt Parteizugehörigkeit genauso als Privatsache wie die Religionszugehörigkeit. Diese Unabhängigkeit zeigt sich auch darin, dass die gewerkschaftliche PädagogInnenvertretung der Unabhängigen GewerkschafterInnen (UG) die ÖLI-UG ist. Es ist einerseits typisch österreichisch, andererseits – mit Blick auf andere Länder - trotzdem verwunderlich, auf welchen Unglauben diese Tatsache bei vielen, z.B. RedakteurInnen, stößt.

 

Nach den geschilderten Schäden für das Bildungswesen durch zu starken parteipolitischen Einfluss ist die Frage, ob LehrerInnen ein Recht auf parteiunabhängige Interessensvertretung haben sollen, sowohl leicht zu beantworten, als auch für Lehrerinnen und Lehrer bei den Personalvertretungswahlen im Herbst 2019 als nächster Gelegenheit umsetzbar, den extrinsischen Parteieneinfluss zu verringern. Jede Stimme für die ÖLI-UG ist auch eine für eine fortschrittliche, humane Pädagogik und Hilfestellung für jede Kollegin und jeden Kollegen ohne Ansehen der Partei- und Vereinszugehörigkeit.

 

Wilfried Mayr

 

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* Quelle: https://derstandard.at/2000093236372/FPOe-Landesrat-sieht-vor-BVT-Ausschuss-Umfaerben-als-demokratisches-Recht