Digitale Idioten?

Digital Idiots

 

 

Minister Faßmann meinte neulich in einem Interview mit den OÖN, dass in nicht allzu ferner Zukunft jedes Schulkind ein Tablet bekommen soll. Und zwar wenn es nach ihm – und einigen nicht genannten Experten – geht, schon in der Volksschule.Warum das falsch ist.

 

 

Viel ist von digitaler Kompetenz zu hören, ja es scheint sogar, dass eine analoge Welt eigentlich keine Daseinsberechtigung mehr hat. Abseits des Digitalen ist alles veraltet unbrauchbar, außer Mode. Kinder müssen schon früh mit dem virtuellen Handwerkskasten umgehen können, wollen sie nicht zu den Verlierern gehören. In der Volksschule kann man auch schon Grundzüge des Programmierens erlernen. Dies sieht in der Praxis so aus: man wischt mit den kleinen Fingerchen über verschiedene Symbole. Hat man dies in einer vorgegebenen Reihenfolge geschafft, erscheint irgendein hoppelnder Hase auf dem Bildschirm, der sich von links unten nach rechts oben bewegt. Hurra, wir haben was programmiert!

 

Natürlich nicht.

 

Das ist nicht Programmieren. Dies ist Anwenden. Und es ist ein Spiel, nicht mehr.

 

Gegen Spiele ist nichts einzuwenden, eh klar. Aber zu glauben, dass damit digital skills erlernt werden ist absurd.

 

Manch Experte vermeint zu wissen, dass selbst Leseskills am besten durch den Einsatz digitaler Medien gefördert werden. Ohne ipad oder Tablet geht da gar nichts.

 

Irrtum: Lesen lernen beginnt damit, dass sich Eltern die Zeit nehmen, ihren Kleinsten Geschichten vorzulesen. Lesen bedeutet, dass man in eine Welt abtauchen kann, die einem ganz alleine gehört. Lesen lernen ist aber auch anstrengend, man muss es sich erarbeiten. Und zwar im Grunde selber, Lesen ist auch Beschäftigung mit sich selbst, mit seiner eigenen Gefühlswelt.

 

Lesen lernt man nicht mit dem Tablet, sondern mit den Schulgeschichten vom Franz. Oder der Knickerbockerbande, um sich dann später in den Harry Potter Geschichten verloren zu gehen.

 

Und wenn einem all die digitalen Medien zu tollen LeserInnen machen, dann ist es ein Wunder, dass man selbst als Kind der 1970er überhaupt das Lesen gelernt hat. So ganz ohne Tablet, sondern nur mit einem Zugang zur örtlichen Bibliothek.

 

Natürlich geht es nicht darum, Kindern virtuelle Hilfen vorzuenthalten – es ist eine Frage des Timings. Kinder schon in der Volksschule mit Tablets auszustatten ist der falsche Weg. Da gilt die einfache Regel: Lesen, Schreiben und Rechnen soll gelernt werden, musische Fähigkeiten, die Kreativität muss gefördert werden. Für das Digitale ist dann schon noch genug Zeit. Zudem nur kreative Menschen auch Antworten auf die digitale Zukunft haben werden. Und dass sich Kreativität am besten vor Bildschirmen entwickt, muss erst einmal bewiesen werden – es ist zumindest anzuzweifeln.

 

Der Philosoph Liessmann schrieb am 2.9.2018 im Standard einen bemerkenswerten Text zur Digitalisierung unserer Klassenräume. Obwohl es sich vortrefflich mit dem österreichischen Philosophen über Bildungsthemen streiten lässt: sein Konklusio hat etwas Zwingendes: „Wilhelm von Humboldt hat einmal angemerkt – und niemand Geringerer als John Stuart Mill, der große Denker des Liberalismus, hat dies unterstrichen -, dass zur Bildung eines Menschen nur zwei Dinge nötig sind: Freiheit und Mannigfaltigkeit der Situationen. Die Digitalisierung der Bildungssysteme verhindert beides. Sie macht abhängig, etabliert rigide Kontrollsysteme, stilisiert Ahnungslosigkeit zu einer Form des Wissens und vereinheitlicht alles unter einer Oberfläche: Unbildung 4.0.“

 

Facts.

 

Jeder zehnte Dreijährige benutzt regelmäßig Applikationen des Internets. (Studie Jugend 2.0, 2011 das wird sich seitdem verändert haben)

 

30.000 Jugendliche in Österreich zwischen 10 und 18 Jahre sind internetsüchtig .(WHO)

 

150 Jugendliche werden jährlich in der Spielsuchtambulanz in Linz behandelt. (www.spielsuchtambulanz.at)

 

Wer weniger online ist, ist glücklicher und zufriedener. (San Diego State University, 2017)

 

64 Prozent der befragten Jugendlichen stört, dass ihre Eltern sehr häufig ihr Smartphone verwenden. (Bertelsmann 2017)

Foto: Thomas Angermann (Stock Free)

 

Timo Brunnbauer

 

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