Noten in der Volksschule - ein Gespräch.

Noten in der Volksschule – Rückschritt oder Notwendigkeit?

von Christoph Kitzberger

 

Mit der neuen Regierung wird sich in der Schule einiges ändern – ein eindeutiger Richtungswechsel in der Bildungspolitik steht uns bevor. Als massiven Einschnitt sehen viele Lehrerinnen und Lehrer das Ende der Wahlfreiheit bei der Notengebung - denn alle Kinder sollen wieder von klein an mit Noten beurteilt werden. In vielen Schule stößt das auf Unmut, manche können sich auch mit diesem Konzept identifizieren. Christoph Kitzberger, DA Mitglied in Rohrbach und PTS Lehrer, hat zwei VolksschulkollegInnen zum Gespräch gebeten.

 

Welche Probleme ergeben sich für dich durch die geplante Einführung der Notenpflicht?

 

Barbara Fischer: Besonders problematisch sehe ich die Ziffernnote als gemeinsame Beurteilung der Unterrichtsgegenstände Sachunterricht, Deutsch, Mathematik, Bildnerische Erziehung, Leibesübungen, Musikerziehung und Werken im ersten Halbjahr der ersten Schulstufe. Denn wofür seht ein „Gut“? Das ist für mich keine verständliche, motivierende Rückmeldung an die Kinder. Ich finde es schwierig alle Talente eines Kindes und den individuellen Lernzuwachs in einer einzigen Ziffer festzulegen.

 

Ingeburg Schörgendorfer: Der geplanten Einführung der Notenpflicht in allen Schulstufen sehe ich mit gemischten Gefühlen entgegen. Grundsätzlich bin ich keine Gegnerin von Noten, aber ich finde es besser, wenn wir Lehrer_innen wie bisher die Wahlmöglichkeit bei der Beurteilung hätten. In der Grundstufe I (erste und zweite Klasse VS, Anm.) finde ich eine alternative Beurteilung, wie zum Beispiel die Umfassende mündliche Information, besser.

 

Wo liegen deiner Meinung nach die Vorteile einer verbalen Beurteilung?

 

Barbara: Die alternative Form der Leistungsbeurteilung hat für mich den Vorteil, dass der Entwicklungsfortschritt und der Leistungsstand der Kinder besser dargestellt und aufgezeigt werden kann. Man geht viel individueller auf das einzelne Kind, seine Stärken und Talente, aber auch Schwächen ein. In den Gesprächen mit dem Schüler, der Schülerin und den Eltern bekommen wir die Möglichkeit, die nächsten Entwicklungsschritte gemeinsam zu besprechen und zu planen. Die Leistungsbeurteilung wird für alle Beteiligten transparenter.

 

Ingeburg: Schulanfänger sollten meiner Meinung nach für ihre Leistung gelobt und nicht durch Noten beurteilt werden. Außerdem ist ein großer Vorteil des persönlichen Gesprächs, dass der Leistungsstand, eventuelle Defizite und Fördermaßnahmen besprochen werden können. Auch Stärken der Schüler_innen können besprochen werden. Mir ist immer wichtig, dass die Eltern nicht mit dem Gefühl weggehen, dass sie nur erfahren haben, was ihr Kind nicht kann. Eine Note im Zeugnis sagt nichts über Stärken und Schwächen aus.

 

 

Eine verbale Beurteilung darf nach wie vor erfolgen – ist es da nicht egal wenn auch Noten auf dem Zeugnis stehen?

 

Ingeburg: In der 3. und 4. Klasse ist eine alternative Leistungs-beurteilung im Klassenforum kaum durchzusetzen. Bei uns sind die meisten Eltern für Noten.

 

Barbara: Entscheidend ist für mich, dass es bei der Alternativen Form der Beurteilung weniger ums Vergleichen geht, sondern um den individuellen Lernzuwachs. Individuelle Beurteilungen bringen laut unzähligen Bildungsstudien bessere Leistungszuwächse und bessere Leistungen hervor, als Vergleiche mit anderen Schülern. Verbale Beurteilung und Ziffernnote widersprechen sich da für mich.

 

Wird bei einer verbalen Beurteilung für Eltern und nachfolgende Einrichtungen ersichtlich, wo die Stärken oder Schwächen einzelner Kinder liegen?

 

Barbara: Im direkten Vergleich zur Ziffernnote gibt die Alternative Form der Leistungsbeurteilung meiner Meinung nach inhaltlich deutlich bessere, umfangreichere Feedbacks zur sozio-emotionalen und kognitiven Entwicklung des Kindes.

 

Kann verbale Beurteilung gezielt genutzt werden um vor allem Schülerinnen und Schüler mit Leistungsdefiziten zu stärken?

 

Ingeburg: Zu verbaler Beurteilung in der Schulnachricht bzw. im Zeugnis habe ich kaum Erfahrung, da ich lieber das Gespräch mit den Eltern führe. Natürlich schreibe ich Kommentare zu den Arbeiten der SchülerInnen, möglichst positiv und motivierend. Ich finde ein „Das musst du noch üben“ besser, als eine schlechte Note unter eine fehlerhafte Arbeit zu schreiben.

 

Barbara: Es kommt wahrscheinlich sehr stark darauf an, wie man es macht. Herausforderung ist die Verwendung einer adäquaten Sprache, die positiv, unterstützend, motivierend und für das Kind verständlich ist. Das persönliche und individuell gestaltete Gespräch ist wichtig.

 

Erhöht eine Notenpflicht den Druck auf die VS-Lehrerinnen zusätzlich, da die Noten ja letztendlich darüber entscheiden, ob ein Kind in die AHS oder NMS weitergehen soll?

 

Barbara: Sicherlich. Als Pädagoge/in steht man oft zwischen den Fronten und sieht sich gezwungen die Kinder am Ende der vierten Klasse zu „sortieren“. Man steht im Spannungsfeld der Interessen. AHS und NMS konkurrieren vielerorts um SchülerInnen. Eltern wollen, dass Kinder ins Gymnasium gehen, obwohl sie wissen, dass sie es dort schwer haben werden, weil sie die NMS im städtischen Raum oft einen schlechten Ruf genießen.

 

Ingeburg: Natürlich wünschen sich besonders die Kinder und Eltern der Viertklassler gute Noten, damit ihr Kind eine AHS besuchen kann. Manche Eltern versuchen da auch LehrerInnen zu beeinflussen, oder unter Druck zu setzten, damit ihr Kind eine bessere Note bekommt. Ich verweise immer auf die Möglichkeit der Aufnahmeprüfung, die auch viele Kinder schaffen.

 

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