Klare und gute Vorgabe: An Österreichs Schulen soll hinkünftig die Autonomie ausgebaut werden. Aber schon im Ansatz aller Überlegungen liegt eine Begriffsfälschung vor: Nicht „die Schulen“ sollen autonomer entscheiden können, sondern Einzelpersonen, nämlich die SchulleiterInnen. So etwas nenne ich dann aber doch eher: Diktatur mit allen ihren Folgen!
In Zeiten relativ leerer Kassen machen sich Entscheidungsträger gerne Gedanken über Problemlösungen, und das wäre ja auch gut so. Dumm nur, dass dabei zu oft Begriffsfälschungen verwendet werden. Das Schlagwort „Schulautonomie“ wurde schon 1992 aktuell. Aber anstatt den Schulen mehr Freiraum für standortangepasste Regelungen in die Hand zu geben, ging es um etwas ganz anderes: Die einzelnen Schulen „durften“, sprich mussten innerhalb eines bestimmten Spielraums „autonom“ entscheiden, in welchen Gegenständen Stunden eingespart wurden. Wenn ich jemanden frei entscheiden ließe, ob ihm/ihr eine Hand oder ein Fuß abgehackt würde, spräche auch niemand von einer autonomen Entscheidungssituation, sondern eher von einer unstatthaften Verstümmelung.
Der Schulreform-Trend ist eindeutig: Die Expertengruppe Schulverwaltung (LSR-Präsidenten plus Spitzenbeamte von Bund und Ländern sowie ein Vertreter der Industriellenvereinigung) der Bildungsreformkommission gibt als Schwerpunkte
die zentrale Steuerung durch das Ministerium (Ausführungsgesetzgebung aber bei den Ländern),
in den Ländern angesiedelte Bildungsdirektionen,
eine idealtypische Anzahl von rund 200 SchülerInnen (im Oberstufenbereich 400) und eben
eine deutlich erhöhte, bis in die Personalhoheit reichende Schulautonomie an.
Klare vom Ministerium vorgegebene Ziele, regelmäßige Ergebniskontrollen und operative Umsetzung durch die Bildungsdirektionen der Länder sollen Irrwege in der Autonomie der Schulen vermeiden helfen. Eine neu einzurichtende Qualitätssicherungsstelle soll die Schul- und Unterrichtsqualität, die Prüfung einzelner Schulen, eine Effizienzvaluierung und einen Schulqualitätsbericht an das Parlament übernehmen. Bis 2025 soll all dies umgesetzt werden. Ein „normkostenbasiertes Ressourcenmodell“ soll die Kosten für den Bund darstellen.
Österreichs Schulwesen steht auch aus anderen Gründen unter Druck: Im OECD-Vergleich erscheint die Abhängigkeit österreichischer Schulen von der Obrigkeit überdurchschnittlich groß. Nur 31 % der Entscheidungen werden auf Schulebene getroffen, in der OECD sind es immerhin 41 %, im EU-Schnitt gar 46 %.
Im Rahmen der Vorgaben sollen nun die einzelnen Schulen die Verantwortung für Organisation, Pädagogik, Personal und Finanzen übernehmen. Es gefiele mir ausgezeichnet, wenn das die Schulen tätigen könnten! Leider ist das in der Praxis anders geplant.
Niemand käme auf die Idee zu berichten, dass Familie Huber vergangenen Freitag nach Arbeitsschluss mittels eines Streifzugs durch verschiedene Kneipen nicht nur in eine Schlägerei geraten sei, sondern auf der schlangenlinienförmigen Heimfahrt etliche parkende Autos beschädigt und den Familienwagen letztendlich an einer standhaften Eiche am Straßenrand zertrümmert hätte. Das wäre sicher ausschließlich Herr Huber gewesen und nicht seine ganze Familie.
Ist von Schulautonomie die Rede, wird aber in allen Entwürfen nur die Entscheidungspotenz der schulleitenden Person ins Auge gefasst! Da soll eine einzelne Person über so gut wie alles entscheiden, was an hinkünftig ja großen Schulen geschieht. Am klarsten überfordert ist so eine übermächtige Person bei den Personalentscheidungen, ist dabei ja jeder Art von Protektion, Günstlingswirtschaft und Nepotismus Tür und Tor geöffnet.
Oberste Entscheidungsinstanz einer Schule kann nur die Schulkonferenz sein und keine Einzelperson!
Abgesehen vom demokratischen Prinzip, dass alle von einer Entscheidung betroffenen Personen dabei auch mitbestimmen können müssen, lassen sich Fehlentscheidungen auch minimieren, indem man den Kreis der Entscheidenden sinnvoll erweitert. Ein Beispiel: Als ich zum Personalbeirat (7 Mitglieder) meiner damaligen Gemeinde unterwegs war, als der neue Schulwart gekürt werden sollte, hatten alle ein mulmiges Gefühl im Magen, weil sie wussten, dass einer unbedingt seinen Schwiegersohn in diese Position bringen wollte. Da hatte ich die zündende Idee, dass wir sieben erst einmal Kriterien für diese Funktion definieren und diese anschließend prozentmäßig gewichten sollten. Da dann der Durchschnitt genommen wurde, fiel die eine unobjektive Person kaum ins Gewicht. Mit diesen Kriterien wurden die sechs Bewerber eingestuft und davon wieder der Schnitt genommen. Geworden ist es dann nicht der Schwiegersohn. Dieses objektive Verfahren wird seither in der Gemeinde bei Personalangelegenheiten angewendet. Die Personalentscheidungen einer autonomen Schule sollten genau so objektiv getroffen werden, und zwar von allen Mitgliedern des Lehrkörpers.
Wilfried Mayr
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