5 XP für Mitarbeit: Wiener Lehrer benotet SchülerInnen wie "World of Warcraft"-SpielerInnen. Mehr Transparenz und Motivation:
Neues Bewertungssystem steht LehrerInnen offen.
Das Benotungssystem von SchülerInnen stehe immer wieder zur Debatte bei Bildungsreformen, berichtet Wilhelm Zsolt im Standard vom
11. Dezember. Dass eine Bewertung von 1 bis 5 basierend auf einer Handvoll Schularbeiten, Aufgaben und der Einschätzung der jeweiligen Lehrkraft in vieler Hinsicht keinen Idealzustand darstellt,
ist naheliegend. Während manche Schulsysteme auf eine kleinstufigere Unterteilung der Benotung setzen, kommen andere Systeme wieder ganz ohne traditionelle Benotung aus.
Anstatt das österreichische Benotungsprinzip komplett auf den Kopf zu stellen, hat sich der Wiener Lehrer Christian Haschek vor
einigen Jahren an die Arbeit gemacht, eines der größten Probleme dieses Systems zu beseitigen: die Intransparenz. Abseits der Ergebnisse auf Tests haben SchülerInnen oft kaum Anhaltspunkte, wo
sie gerade wirklich stehen und was ihnen zu einer besseren Beurteilung fehlt. Diese Ungewissheit kann frustrierend und demotivierend sein und auch das Gefühl erzeugen, der subjektiven Empfindung
der Lehrkraft ausgesetzt zu sein.
Bei Hascheks Anstrengungen herausgekommen ist ein Bewertungskonzept, das sich stark an den Bewertungssystemen von Rollenspielen
wie "World of Warcraft" orientiert. "Es gibt XPs (Experience Points), mit denen die Note langsam steigt", erklärt Haschek gegenüber dem GameStandard. "Die Jugendlichen können zu jeder Zeit genau
sehen, wie es um ihre Note steht."
Seit drei Jahren setzt er sein vom Unterrichstministerium abgesegnetes XP-basiertes Beurteilungssystem nun ein und hat eigenen
Aussagen nach "nur Gutes zu berichten". Dabei komme es darauf an, den SchülerInnen für jeden erteilten und abgezogenen Erfahrungspunkt einen Grund zu geben. Für Aufzeigen und Mitarbeit im
Unterricht gibt es beispielsweise fünf XPs, während es für ein Referat 20 XPs und für eine außerordentlich gute Hausaufgabe 35 XPs geben kann.
Der Vorteil für beide Seiten (SchülerInnen und LehrerInnen) ist, dass sie jederzeit sehen können, wie viele XPs zur nächstbesseren
oder nächstschlechteren Note fehlen. Transparenz bei diesem Benotungssystem wird durch eine von Haschek kreierte E-Learning-Plattform namens Socialcube gewährleistet, auf die österreichweit
sowohl Lehrkräfte als auch SchülerInnen und Eltern zugreifen können.
Laut Haschek handelt es sich dabei derzeit um ein "Proof of Concept", es stehe aber allen LehrerInnen offen, sein XP-System für
ihren Unterricht zu übernehmen.
Wie der Wiener in seinem Blog erklärt, habe das System auch potenzielle Schwächen. So gibt es Bedenken, dass SchülerInnen, die
bereits eine gute Note erreicht haben, sich auf ihren Lorbeeren ausruhen, weil sie sich bereits sicher fühlen. Doch laut Haschek hat er bisher das Gegenteil beobachten können.
"Diese Schüler waren aktiver, erledigten all ihre Hausaufgaben und halfen sogar auch anderen", so Haschek. "Dies könnte auf etwas
zurückzuführen sein, das ich 'High Level Syndrome' nenne. Sie sind deutlich selbstsicherer, weil sie geschützt davor sind zu scheitern."
Wenngleich Haschek glaubt, dass er damit vielen LehrerInnen und SchülerInnen ein motivierenderes und transparenteres
Benotungssystem geben kann, sei es wohl nicht für jede Lehrkraft das richtige Werkzeug. Allein schon deshalb, weil nicht jede/r Computer für den Unterricht nutzt.
Interessierte KollegInnen seien aber eingeladen, das XP-System anzuwenden und an ihre Bedürfnisse anzupassen. "Mein System ist
noch nicht bereit für den großflächigen Einsatz, aber ich habe vielen Lehrern davon erzählt, und die meisten von ihnen waren sehr begeistert", sagt Haschek. Das System müsse jetzt von KollegInnen
angepasst werden, die mit der Technologie vertraut sind und die Begeisterung für dieses Projekt teilen.
Wilfried Mayr